GD - Online R. Voeller: Haftungsrechtliche Risiken
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Off-Iabel Use und Compassionate Use in der Dermatologie - Straf- und haftungsrechtliche Risiken für Arzt und Apotheker

Regierungspharmaziedirektor Rudolf Völler, Dezernat II 15 D, Regierungspräsidium Darmstadt

Das Arzneimittelgesetz sieht den Einsatz nicht zugelassener Arzneimittel ausdrücklich vor. Die Abgabe ist ausschließlich in Apotheken vorgesehen, sieht man von Arzneimitteln ab, die zur klinischen Prüfung bestimmt sind. Anders als im angloamerikanischen Sprachraum gibt es in Deutschland keine ausdrückliche Regelung, wie zu verfahren ist, wenn Arzneimittel und Substanzen, die in einem bestimmten Indikationsgebiet noch nicht erprobt wurden, im Einzelfall anzuwenden sind.

Zunächst ist festzustellen, dass die individuelle Umwidmung eines Arzneimittels durch den Arzt in der Regel durch die ärztliche Freiheit abgedeckt ist. Es ist aber zu betonen, dass auch in diesem Fall standesrechtliche Bestimmungen und Normen des Strafrechts anzuwenden sind. Das Arzneimittelgesetz gilt hier aber nicht. In dem Moment, wo der Arzt oder der Patient jedoch Arzneimittel durch Dritte erhält, findet durch den ein In-Verkehr-Bringen statt. Die Tatbestände des Arzneimittelgesetzes — das wörtlich Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln heißt — sind einschlägig.

Die Herstellung von Arzneimitteln im Einzelfall und auf Verschreibung von Ärzten durch die Apotheken ist historisch verankert. So gab es in beiden Teilen Deutschlands seit Jahren anerkannte Formularien oder Rezeptursammlungen, die Arzneibücher enthalten Rezepturen mit anerkannter Nutzen-/Risiko-Relation. Strafrechtliche und zivilrechtliche Probleme sind bestenfalls dann erkennbar, wenn bei der Herstellung oder Applikation elementare Fehler gemacht werden. Die Arzneimittel ohne Zulassung können im Einzelfall durch die Apotheke hergestellt und in der Apotheke an den Patienten abgegeben werden. Nähere Einzelheiten regelt die Apothekenbetriebs-ordnung. Bei häufiger Verschreibung dieser Arzneimittel greift die Ausnahme der sogenannten 100er-Regel (§ 21 Abs. 2 Nr. 1 AMG), die es den Apotheken ermöglicht, limitierte Mengen von Fertigarzneimitteln herzustellen. Besonders die Forderung, dass die Herstellung in den wesentlichen Herstellungsschritten in einer Apotheke zu erfolgen hat, macht deutlich, dass eine großtechnische Herstellung von Vorstufen außerhalb von Apotheken nicht gewollt ist. Die Gefährdungshaftung der §§ 84 f. des Arzneimittelgesetzes ist bei diesen Arzneimitteln ausgenommen. Haftungs- und Schadensersatzansprüche können aber zivilrechtlich geltend gemacht werden.

Die einzelnen Bedingungen des § 21 Abs 2 Nr. 1 AMG:

  • zur Anwendung bei Menschen bestimmt
  • auf Grund nachweislich häufiger ärztlicher oder zahnärztlicher Verschreibung
  • in den wesentlichen Herstellungsschritten in einer Apotheke
  • in einer Menge bis zu hundert abgabefertigen Packungen an einem Tag
  • im Rahmen des üblichen Apothekenbetriebs hergestellt
  • zur Abgabe in dieser Apotheke bestimmt

Die Situation wird aber völlig anders, wenn Entwicklungen neuer Substanzen den Wunsch wecken, den Stoff möglichst früh einzusetzen. Es ist nicht zu verantworten, Stoffe einzusetzen, deren Nutzen-Risiko-Bewertung nicht möglich ist. Auch in einzelnen Ausnahmen muss es die Regel sein, die Verfahrensschritte bei der Entwicklung neuer Arzneimittel (GLP, GCP, GMP) soweit "durchzuziehen", bis eine sichere klinische Bewertung möglich ist. Hinzuweisen ist an dieser Stelle auf die Tatsache, dass die klinischen Prüfungen zwar Wirkungen evaluieren können, eine sichere Ermittlung von unerwünschten Wirkungen (Inzidenz 1:1000 aufwärts) jedoch nicht möglich ist.

Verfahrensschritte bei der Entwicklung neuer Arzneimittel:

  • Bewertung nach GLP
  • In der Präklinik nach GLP
  • Klinische Prüfung Phase 1 - 3
  • Zulassung
  • gezielte Beobachtung und Berichtspflichten

Bei neuen Substanzen ist eine zuverlässige Nutzen-Risiko-Abwägung also das Problem Nr. 1. Die Planung und Durchführung der Anwendung sollte zudem grundsätzlich die wesentlichen Bedingungen klinischer Prüfungen erfüllen. Eine Aufklärung des Patienten sowie dessen Einwilligung sind ein Muss. Die Herstellung der Medikation erfolgt durch die Apotheke, in der das Arzneimittel abgegeben wird.

Dieses In-Verkehr-Bringen wirft dann Probleme auf, wenn sich hinter dem Behandlungskonzept ein Sponsor befindet, der ein systematisches Anwenden neuer Arzneimittel propagiert. Jetzt ist nicht mehr der einzelne behandelnde Arzt der Initiator, vielmehr entsteht zumindest ein Anfangsverdacht, dass ein neues Behandlungskonzept ohne wissenschaftlich fundierte Erprobung eingesetzt werden soll (z.B. wurden Herstellungsschritte künstlich ausgenommen, um die klinische Prüfung oder das Zulassungsverfahren zu vermeiden. Klinische Prüfungen sind aber auch dann möglich, wenn ein Behandlungskonzept erprobt werden soll und nicht die Zulassung das Ziel ist.

Sobald ein Arzneimittel bei einer anderen Indikation oder einer anderen Personengruppe (Kinder) angewendet wird (Off-Label-use), ist eine neue Zulassung oder eine Änderung der Zulassung erforderlich. Hier ist eine Beurteilung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses häufig einfacher, da bereits umfangreiche Datenmengen vorliegen. Die Regelungen der Gefährdungshaftung des Arzneimittelgesetzes dürften im Schadensfall nicht anwendbar sein, da der bestimmungsgemäße Gebrauch den Einsatz im Indikationsgebiet vorsieht. Dies schließt nicht aus, dass der pharmazeutische Unternehmer sich im Einzelfall mit der in Frage kommenden Versicherungsgesellschaft vorher einigt. Abschließend muss auf das Heilmittelwerbegesetz verwiesen werden .

Gesetz über die Werbung auf dem Gebiete des Heilwesens 3

§ 3a
Unzulässig ist eine Werbung für Arzneimittel, die der Pflicht zur Zulassung unterliegen und die nicht nach den arzneimittelrechtlichen Vorschriften zugelassen sind oder als zugelassen gelten.

Generell lässt das Strafgesetzbuch in Ausnahmesituationen Abweichungen von Gesetzen zu: Rechtfertigender / gesetzlicher Notstand (§ 34 StGB): "Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut eine Tat begeht, um die Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, handelt nicht rechtswidrig, wenn bei Abwägung der widerstreitenden Interessen, namentlich der betroffenen Rechtsgüter und des Grades der ihnen drohenden Gefahren, das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt. Dies gilt jedoch nur, soweit die Tat ein angemessenes Mittel ist, die Gefahr abzuwenden".

Es empfiehlt sich in diesen Fällen, die zuständige Behörde zu beteiligen bzw. mit der Staatsanwaltschaft Kontakt aufzunehmen und eine Abstimmung herbeizuführen. Übrigens ist dann eine unmittelbare Abgabe der Medikation durch den pharmazeutischen Unternehmer an den Arzt möglich (Analogie zum Vertriebsweg bei klinischen Prüfungen).

Der Gesetzgeber ist gefordert, über Möglichkeiten nachzudenken, die Einzelfälle erfassen, bei denen eine Anwendung einer noch nicht abschließend geprüften Substanz erforderlich ist und ein Unterlassen auch juristisch verfolgt werden kann (Unterlassene Hilfeleistung). Ein Beispiel ist die Regelung in den USA (Compassionate Use, Anwendung aus Mitleid), in der die Grundsätze verantwortungsvollen Handelns formuliert sind, die in Deutschland aber noch nicht in geltendes Recht umgesetzt worden ist.

Compassionate Use

Compassionate or named patient use of a drug

  • should be strictly controlled by the company responsible for providing the drug and
  • should ideally be the subject of the protocol

The company should

  • provide the prescribing physician with suitable forms and remind him / her of the
  • requirement to report suspected adverse drug reactions to the company and / or to the appropriate competent authority

Companies should

  • continuously monitor the balance of benefit and risk of drugs used under such conditions and
  • follow the national requirements for reporting to the appropriate competent authorities.

  

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