Generalsekretär der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft, Klinik für Dermatologie, Universitätsklinikum Charité Berlin
Dermopharmazie in dermatologischer Wissenschaft und Praxis
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
gerne
bin ich der Aufforderung nachgekommen, einige Gedanken zur Stellung der Dermopharmazie
in Wissenschaft und Praxis vorzutragen. Hierzu möchte ich ganz besonders
der Präsidentin der 3. Tagung der GD, Frau Professor Schäfer-Korting
für die Einladung danken, und ihr zu der gelungenen Veranstaltung gratulieren.
Wissenschaft
Die wissenschaftliche Stellung der Dermopharmazie innerhalb der Dermatologie ist in exemplarischer Weise durch das Programm der 3. Jahrestagung der Gesellschaft für Dermopharmazie belegt. Dermo-Pharmazeutische Chemie, Dermo-Biopharmazie, Dermo-Pharmakokinetik, Dermo-Therapie und Kosmetik sind die wichtigen Schlagworte.
Betrachtet man die Tatsache, daß derzeit sicherlich mehr als 90 % der Erkrankungen der Haut topisch behandelt werden, so darf man fragen, ob dermatopharmazeutische Fragestellungen in der Tat den Stellenwert in der dermatologischen Wissenschaft haben, der ihnen zusteht. Ich meine: nein. Wenngleich von seiten der Pharmazie methodisches, technologisches und applikationsorientiertes Know-how zur Verfügung steht, so fehlt es doch angesichts der Vielzahl der bearbeitenden Fragen an dermatologischen Arbeitsgruppen, die sich hier als kompetente Partner anbieten. Die meisten der derzeit aktiven Gruppen sind hier im Rahmen dieser Tagung erfreulicherweise vertreten.
Ein großes Feld der Dermopharmazie liegt aus meiner Sicht in der Bearbeitung der pathophysiologischen Besonderheiten erschiedener Erkrankungen der Haut. Gibt es Besonderheiten, die etwa bei Neutrophilen- oder Lymphozyten-dominierten Entzündungen pharmazeutisch ausgenutzt werden können? Ergeben sich nicht bei unterschiedlichen Entzündungsmechanismen, mit differierenden pH-Werten, Konzentrationen von Lipasen oder Esterasen auch direkte Konsequenzen für die pharmazeutische Zubereitung? Aber wissen wir wirklich genug, um hier gezielt eingreifen oder reagieren zu können?
Ein weiterer wichtiger Forschungsbedarf begründet sich in unseren Kenntnissen zur Physiologie der Haut. Aber wann hat sich an deutschen Universitäten zum letzten Mal eine Wissenschaftlerin oder ein Wissenschaftler zu physiologischen Fragestellungen habilitiert? Ist unser Kenntnisstand etwa zur Penetration von Molekülen wirklich ausreichend, zur Modulation der Penetration, zu Schwankungen oder mikroanatomischen Besonderheiten schon erschöpfend?
Weitere Gebiete der Berufsdermatologie werden unzweifelhaft von Fortschritten auf diesen Gebieten profitieren, ebenso der allergologische Bereich. Hier sind Aktivitäten der Universitäts-Hautkliniken gefordert, die diesen für das Fach so wichtigen, aber auch wissenschaftlich so spannenden Bereich kompetent zu bearbeiten. Daß dies auch in der heutigen Zeit unter schwierigen finanziellen Rahmenbedingungen möglich ist, zeigt die Etablierung eines Bereiches Experimenteller und angewandter Physiologie der Haut an der Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie mit Asthmapoliklinik, der inzwischen 13 Mitarbeiter umfaßt. Unsere Erfahrung zeigt, daß Engagement auf diesem Gebiet belohnt wird, daß dieser Bereich drittmittelfähig ist, und daß sich mit Einsatz modernster Untersuchungstechniken wissenschaftliche Daten beweisen lassen, die unser Verständnis der Physiologie der Haut auf ein bislang nicht erreichtes Niveau heben werden.
Praxis
Die meisten
Fortschritte der Dermopharmazie werden vermutlich in der Praxis unbemerkt bleiben.
Sie machen sich bemerkbar in einer immer besseren Verträglichkeit, einer
breiteren Einsetzbarkeit bei sehr unterschiedlichen Hautzuständen, oft
von der xerotischen Altershaut bis zum nässenden Säuglingsekzem. Haltbarkeit,
ästhetisches Erscheinungsbild der Salbengrundlagen und Freisetzungscharakteristika
der Wirkstoffe sind so gut gelöst, daß sich der Verschreibende in
der Regel keine Gedanken hierzu macht.
Andererseits weist das Verordnungsverhalten der niedergelassenen Dermatologen unter dem unerträglichen Druck aus fachgruppenspezifischen Budgets, Sondertöpfen und Regreßandrohungen eine anhaltende Tendenz zu Magistralrezepturen auf. Derzeit betragen Magistralrezepturen 50% der dermatologischen Verordnungen. Übrigens kommen Magistralrezepturen nicht nur von Dermatologen: ein Drittel stammt von Praktikern, Pädiatern und HNO-Ärzten. Im Jahr rezeptiert jeder Dermatologe durchschnittlich 3 03 3 Rezepturen. Diese Entwicklung bewirkt mehrere Probleme. Zum einen sinken die Umsätze der pharmazeutischen Industrie auf diesem Sektor. In der Tat sind allein 1997 die Verordnungen von Dermatika um knapp 20% gesunken. dies wiederum bewirkt, daß der dermatologische Markt von der pharmazeutischen Industrie als potentiell ökonomisch uninteressant angesehen wird, und die eine oder andere große Firma hat sich bereits zurückgezogen. Glücklicherweise haben andere große Häuser in der jüngsten Vergangenheit gegenteilige Entscheidungen zugunsten eines größeren Engagements auf dermatologischem Gebiet getroffen.
Unbestritten
ist außerdem, daß ein größerer Teil der Magistralrezepturen
Qualitätsmängel aufweist. Die Deutsche Dermatologische Gesellschaft
setzt sich daher kontinuierlich für eine Qualitätsverbesserung der
Rezepturen ein, und drängt darauf, ausschließlich NRF oder vergleichbare
Standards zu verwenden. Übrigens genügen auch nicht alle Rezepturempfehlungen,
die die pharmazeutische Industrie bezüglich ihrer eigenen Präparate
gibt, diesen Qualitätskriterien. Glücklicherweise ist ein Diskussionsprozeß
in Gang gekommen, der sich posititv auswirken wird.
Die Deutsche Gesellschaft für Dermopharmazie sollte sich in diese Diskussion aktiv einbringen. Hierzu gehört auch ein aktuelles Lehrbuch, welches den Wissensstand an der Schwelle zum neuen Jahrtausend reflektiert.
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