Theo Rufli
Biochirurgie
chronischer Wundenl
Dermatologische Universitätsklinik,
Kantonspital Basel
Chronische Wunden sind in der Dermatologie als Ulcera cruris bei vaskulär
bedingten Durchblutungsstörungen und zahlreichen anderen, selteneren Ursachen
zu beobachten. Chronische Wunden zeigen praktisch keine Heilungstendenz mehr,
der Wundgrund ist nekrotisch belegt, Granulationsgewebebildung fehlt, die Wundränder
sind verdickt und aufgeworfen, epitheliale Proliferation wird vermisst. Am Beginn
der lokalen Behandlung steht das Débridement, die Entfernung nekrotischer
und infizierter Gewebeteile. Das Débridement hat selektiv zu erfolgen.
Zur Verfügung stehen die chirurgische Abtragung in Anaesthesie, z.B. unter
Emla® mit der Curette. Enzymatisch wirksame Präparationen haben nur
geringfügige Wirkung.
Dokumente aus Zeiten der napoleonischen Feldzüge und des ersten Weltkrieges
berichten, dass mit Fliegenlarven befallene, auch grossflächige Wunden
keine Infektionen aufwiesen und wider Erwarten rasch und komplikationslos heilten.
Dies veranlasste den amerikanischen Orthopaeden Baer nach 1920 zur wissenschaftlichen
Entwicklung der Biochirurgie (Larventherapie), einer kontrollierten Nachahmung
der Wundmyiasis. Die Larven bestimmter Fliegenarten, meist Lucilia sericata
(Gattung Goldfliegen der Familie Calliphoridae, Schmeissfliegen) werden im Laboratorium
unter sterilen Bedingungen gezüchtet und im Alter von 2 bis 3 Tagen nach
bestandener Sterilitätskontrolle auf die zu reinigenden Wunden gebracht.
Sie werden dort während 3 bis 4 Tagen belassen. Eine Wiederholung der Prozedur
ist jederzeit möglich. Das nekrotische Material wird durch die Speichelenzyme,
Proteasen mit starker Kollagenase-Aktivität, präoral vorverdaut und
dann aufgenommen. Die bakterielle Besiedelung wird sowohl durch die Ausscheidung
von bakteriziden Peptiden wie auch durch Degradation im Darmlumen reduziert.
Die Ausscheidung von Zytokinen mag einen Teil der messbaren Durchblutungssteigerung
und Ödemreduktion unter Biochirurgie erklären.
Die Methode ist sicher und sehr effektiv. Nachteile ergeben sich aus der aufwendigen
Logistik, der nicht immer einfach zu erreichenden Sterilität der Fliegenlarven
und der Schmerzhaftigkeit. Die Akzeptanz bei den Patienten ist dennoch erstaunlich
hoch.
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