Dr. med. Hugo Partsch
Phasengerechte Kompressionsbehandlung bei Ulcus cruris
venosum
Professor für Dermatologie, Wien
Therapiephase und Erhaltungstherapie
Der Großteil von Patienten mit einem venösen Unterschenkelgeschwür,
bei denen das Grundleiden nicht durch die Ausschaltung von oberflächlichen
Refluxen durch Operation oder Verödung heilbar ist, bedarf einer Dauer-Kompressionstherapie.
Wir unterscheiden dabei die Phase bis zum Abheilen des Ulkus („Therapiephase“)
sowie die daran anschließende „Erhaltungsphase“, um ein Rezidiv
zu verhindern.
Therapiephase
Speziell für Ulzera mit einem Durchmesser von über 3 - 5 cm und einer
Bestandsdauer von über drei Monaten bevorzugen wir Kurzzugverbände,
welche von geschultem Personal angelegt und im Regelfall in wöchentlichem
Abstand gewechselt werden. Bei retromalleolären Ulzera wird der lokale
Kompressionsdruck durch Applikation von Schaumgummi-Pelotten (Komprex®)
erhöht.
Erhaltungsphase
Nach Abheilung des Ulkus ist durch eine für den Patienten selbst machbare
Dauerkompression dafür zu sorgen, dass das Geschwür geschlossen bleibt.
Hierfür eignen sich besser elastische Binden oder gute medizinische Kompressionsstrümpfe,
die tagsüber getragen werden
Anpressdruck bei unterschiedlichen Bindentypen
Bei unbehinderter arterieller Zirkulation (Doppler-Knöchelarteriendruckmessung!)
sollte der Andruck einer Kurzzugbinde am distalen Unterschenkel mindestens 50
- 60 mmHg betragen. Bereits in der ersten Stunde nach Anlage des Verbandes fällt
der Druck um durchschnittlich 25 - 30 % ab. Dieser Druckabfall ist Ausdruck
einer sofort einsetzenden Entstauung des Beins und der Grund dafür, dass
der angelegte Verband im weiteren auch im Liegen gut toleriert wird.
Langzugbinden sollten mit einem Druck um 40 mmHg angelegt werden, da die Binde
in Ruhe und beim Liegen nachzieht und den Ausgangsdruck weitgehend beibehält.
Höhere Drucke würden bei Bettruhe schlecht toleriert.
Stiffness bei unterschiedlichen Bindentypen
Unter „Stiffness“ verstehen wir die Druckzunahme der Binde bezogen
auf die Umfangzunahme des Beinsegmentes beim Stehen und Gehen. Kurzzugbinden
mit einer Dehnbarkeit von unter 40 % weisen eine höhere Stiffness auf,
Langzugbinden mit > 100 % Dehnung niedrigere. Hohe Stiffness bedeutet höherer
Arbeitsdruck im Gehen mit ausgeprägterem Massageeffekt (Abb.). Ein hoher
Stiffness-Index, also eine geringe Nachgiebigkeit der Binde im Gehen, bewirkt
eine ausgeprägtere Reduktion venöser Refluxe1, so dass die ambulatorische
venöse Hypertension gesenkt werden kann2.
In mehreren Touren übereinander angelegte Binden sowie Verband-Kits bestehend
aus mehreren Komponenten von Kurzzugbinden führen zu einer Erhöhung
des Stiffness- Indexes. Dies gilt bis zu einem gewissen Grad auch für Mehrlagenbinden
aus elastischem Material, welche sich letztlich in ihrem Gesamtverhalten Kurzzugbinden
annähern und damit auch erträgliche Ruhedrucke im Liegen gewährleisten
können. Bezüglich Ulkusheilung konnten wir keinen signifikanten Unterschied
zwischen Four-layer-bandages und zwei übereinander applizierten Kurzzugbinden
finden.3
Kriterien eines idealen Kompressionsverbandes:
Literatur
1) Partsch H, Menzinger G, Mostbeck A., Inelastic leg compression is more effective to reduce deep venous refluxes than elastic bandages. Dermatol Surg 25, 695-700, 1999
2) Partsch H . Improvement of venous pumping function in chronic venous insufficiency by compression depending on pressure and material. VASA 13, 58-64, 1984
3) Partsch H, Damstra RJ, Tazelaar DJ, Schuller-Petrovic S, Velders AJ, de
Rooij MJ, Sang RR, Quinlan D. Multicentre, randomised controlled trial of four-layer
bandaging versus short-stretch bandaging in the treatment of venous leg ulcers.
Vasa 30, 108-113, 2001
Abb. 1: Bei gleichem Ausgangsdruck von 50 mmHg im Sitzen zeigt der Kurzzugverband (Rosidal® sys, links im Bild) Druckspitzen bis 80 mmHg unter Fußwippen. Beim Aufstehen steigt der Druck am distalen medialen Unterschenkel um 22 mmHg an, dagegen unter einer elastischen Perfekta®-Binde nur um 8 mmHg. (Dr. Ch. Rohrer, Lohmann-Rauscher).
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