Claudia S. Leopold
Penetrationsorientierte
Vehikeloptimierung Pharmakokinetische und pharmakodynamische Aspekte
Institut für Pharmazie, Universität Leipzig
Mit der Applikation von Wirkstoffen auf die Haut lassen sich verschiedene Ziele
verfolgen. Einerseits kann es erwünscht sein, dass der Wirkstoff auf der
Hautoberfläche verbleibt; andererseits kann die Wirkstoffpenetration in
tiefere Hautschichten bis hin zur Resorption das Ziel sein. Die Wirkstoffpenetration
ist durch die Wahl des Vehikels beeinflussbar. Neben thermodynamischen Effekten,
bedingt durch die unterschiedliche Affinität des Wirkstoffes zu verschiedenen
Vehikeln, spielen hier penetrationsbeschleunigende, d.h. barrieremodifizierende
Effekte eine große Rolle. Solche Effekte können entweder direkt durch
Messung des Wirkstofffluxes in die Haut oder durch Wirkungsmessungen mit Arzneistoffen,
die eine quantifizierbare pharmakodynamische Reaktion hervorrufen, erfasst werden.
Bei der Durchführung der Wirkungsmessungen und der Auswahl der Wirkungsparameter
müssen pharmakokinetische Gesetzmäßigkeiten berücksichtigt
werden, um möglichst genaue Aussagen zur relativen Bioverfügbarkeit
der Zubereitungen treffen zu können und um zwischen thermodynamischen und
penetrationsbeschleunigenden Vehikeleffekten differenzieren zu können.
Verschiedene intensitäts- und zeitbezogene Wirkungsparameter und die aus
simulierten Dosis-Wirkungs-Kurven ermittelten Bioverfügbarkeitsdaten werden
unter Berücksichtigung pharmakokinetischer Gesichtspunkte hinsichtlich
ihrer Aussagekraft beurteilt. Diese Wirkungsparameter sind die reziproke Latenzzeit
LT bis zum Auftreten eines pharmakodynamischen Effektes, die Wirkungsdauer D
und die maximale Wirkung Emax (Abb. 1).
Abb. 1: Simulierte Wirkstoffspiegel
am Wirkort für Penetrationskinetik erster (····)
und nullter (-) Ordnung bei Annahme eines offenen Einkompartimentmodells (Abkürzungen
siehe Text)
Werden Bioverfügbarkeits- und Beschleunigungsfaktoren f und BF aus Dosis-Wirkungs-Kurven
bestimmt, so können zu ihrer Bestimmung die horizontalen Abstände
zwischen parallel verlaufenden Kurven eines Standard- und einer Testzubereitung
sowie die Vertikalquotienten im Bereich der oberen Wirkplateaus zwischen Test
und Standard herangezogen werden (Abb. 2). Während die Horizontalabstände
thermodynamische wie auch penetrationsbeschleunigende Vehikeleffekte beinhalten,
können unterschiedliche Wirkplateaus nur durch barrieremodifizierende Vehikeleffekte
bedingt sein. Aus den Horizontalabständen zwischen parallelen Dosis-Wirkungs-Kurven
lässt sich also der Bioverfügbarkeitsfaktor bestimmen, während
die Vertikalquotienten den Beschleunigungsfaktor darstellen (Abb. 2). Bei penetrationsbeschleunigenden
Vehikeleffekten ist in der Regel durch die unterschiedlichen Wirkplateaus, die
von Standard und Test erreicht werden, mit einem nicht parallelen Kurvenverlauf
zu rechnen. Setzt man die Wirkstoffkonzentration in den Zubereitungen zur jeweiligen
Wirkstofflöslichkeit in den Vehikeln in Beziehung, was der Umrechnung der
Wirkstoffkonzentration in die Wirkstoffaktivität entspricht, so eliminiert
man die thermodynamischen Vehikeleffekte und kann dann aus den Horizontalabständen
der erhaltenen Aktivitäts-Wirkungskurven direkt den Beschleunigungsfaktor
BF bestimmen (Abb. 2).
Abb. 2: Bestimmung von Bioverfügbarkeits-
und Beschleunigungsfaktoren aus Dosis- bzw. Aktivitäts-Wirkungskurven
Praktische Relevanz haben diese Ergebnisse, wenn es um die Planung und Durch-
führung von Wirkungsmessungen zur Quantifizierung von Vehikeleffekten oder
zur Beurteilung der Penetrationseigenschaften unterschiedlicher Wirkstoffe geht.
Die Wirkung sollte möglichst schnell, auf einfache Weise (z.B. visuell)
und ohne großen Versuchs- und Zeitaufwand erfaßbar sein. Diese Forderung
wäre bei den Wirkungsparametern maximale Wirkung und reziproke Latenzzeit
gegeben.
Grundsätzlich ist zu beachten, dass stationäre Bedingungen
garantiert werden sollten, um eine Wirkstoffentleerung, die zu verminderter
Wirkung führt, zu verhindern. Diese Forderung ist mit dem Wirkungsparameter
Wirkungsdauer nicht zu erfüllen. Stationäre Bedingungen können
durch Applikation großer Salbenvolumina über einen gewissen Zeitraum
sowie durch Applikation von Suspensionszubereitungen erreicht werden. Mit Suspensionszubereitungen
lassen sich allerdings keine Dosis-Wirkungs-Kurven aufnehmen. Es handelt sich
hier vielmehr um Einpunktmessungen, durch die nur das obere Wirkplateau einer
Dosis- oder Aktivitäts-Wirkungs-Kurve erfasst werden kann. Aus diesen Plateauwerten
lassen sich dann in Analogie zur Berechnung der Vertikalquotienten aus Dosis-
oder Aktivitäts-Wirkungs-Kurven Beschleunigungsfaktoren bestimmen. Die
maximale Wirkung ist ein geeigneter Parameter für eine solche Bestimmung.
Weniger geeignet für solche Einpunktmessungen ist der Wirkungsparameter
reziproke Latenzzeit, da hier im Beschleunigungsfaktor nur die Beeinflussung
des Diffusionskoeffizienten in der Barriere berücksichtigt wird. Grundsätzlich
muss darauf geachtet werden, dass nach Applikation von Suspensionszubereitungen,
die in der Regel zum maximalen Wirkstoffflux führen, noch nicht die intrinsische
Aktivität des Wirkstoffes (= erreichbarer Maximaleffekt im biologischen
System) erreicht wird, was eine Differenzierung zwischen den Vehikeln unmöglich
macht. Eventuell muss in einem solchen Fall auf einen anderen Modellarzneistoff
ausgewichen werden. Es sollte auch nicht vergessen werden, dass die maximale
Wirkung beeinflusst wird durch die Schwellenkonzentration am Wirkort cmin eff,
die überschritten werden muss, um eine Wirkung messen zu können (Abb.
1).
Prinzipiell sollten statt Dosis-Wirkungs-Kurven immer Aktivitäts-Wirkungs-Kurven
durch Einsatz unterschiedlicher Wirkstoffaktivitäten in den Vehikeln aufgenommen
werden, um von vornherein thermodynamische Effekte zu eliminieren und somit
penetrationsbeschleunigende Effekte direkt erfassen zu können. Hier ist
bei starker Penetrationsbeschleunigung allerdings mit nicht-parallelen Kurven
zu rechnen, da durch Penetrationsbeschleunigung entsprechend höhere Wirkplateaus
erreicht werden. Die Ermittlung von Beschleunigungsfaktoren über den Horizontalabstand
zwischen Aktivitäts-Wirkungs-Kurven setzt aber eine Parallelität der
Kurven voraus, so dass in diesem Fall die Bestimmung von Vertikalquotienten
im Plateaubereich sinnvoller erscheint.
Diese Betrachtungen haben direkte Bedeutung für die FDA Guidance for Industry
"Topical dermatologic corticosteroids: In vivo bioequivalence", in
der die Durchführung des Hautabblassungstestes mit Glucocorticoiden über
die Messung der maximalen Wirkung beschrieben wird. In dieser Guidance sollte
darauf hingewiesen werden, dass für eine unverfälschte Quantifizierung
von Abblasseffekten stationäre Bedingungen gewährleistet sein sollten
und dass bei der Untersuchung von Vehikeleffekten die intrinsische Aktivität
des Modellwirkstoffes bekannt sein muss.
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